Cordula Daum leitet zusammen mit ihrem Mann einen ambulanten Pflegedienst in Hilden, bei Düsseldorf. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen im Pflegedienst, wie man mit der Problematik Fachkräftemangel umgehen kann und wie die körperlichen Belastungen in diesem Beruf gut zu bewältigen sind.
„Ich persönlich bin Krankenschwester geworden, weil es mich dazu hingezogen hat Menschen zu helfen – ohne Helfersyndrom. Ich bin immer gerne zur Arbeit gegangen.“
(Cordula Daum)
Holger Lüttgen: Sie sind in einer Branche tätig, die gerade Corona bedingt noch mehr im Lichte der Öffentlichkeit steht. Ist das für Sie ein Vorteil oder eher ein Nachteil?
Cordula Daum: Das ist schwierig zu sagen. Wir sind bis jetzt noch ganz gut durch die Corona Zeit gekommen. Als großer Pflegedienst versorgen wir mit unseren 35 Mitarbeiter täglich 200 Patienten. Bis jetzt hatten wir zwei positiv getestete Patienten und sind ganz gut klargekommen. Es ist nur so, dass wir von Gesundheitsamt viel alleine gelassen werden. Die Kommunikation ist schwierig bis nicht möglich.
Im Tagesgeschäft gibt es sicherlich noch weitere Herausforderungen, die sie zu meistern haben. Wie sieht es aus, wenn Mitarbeiter plötzlich krank werden? Oder einer der Angestellten unerwartet kündigt? Wie gehen sie hiermit um?
Uns gibt es ja schon sehr lange auf dem Markt. Mein Mann hat den Pflegedienst alleine gegründet und ich bin dann dazugekommen. Wir haben ein recht ausgeklügeltes System, was, glaube ich, immer noch einzigartig ist. Wir verfügen über Springer, d.h. ich habe drei Vollzeitkräfte und einer Halbtagskraft, die fest angestellt sind, ein volles Gehalt beziehen, um in solchen Fällen einzuspringen.
Einer ihrer Mitarbeiter hatte bei mir Marketing im Rahmen seiner Fortbildung zum Fachwirten im Gesundheitswesen belegt. Er hatte mir erzählt, dass sie ein interessantes Arbeitszeitmodell haben. Rundet dieses das Springer-Modell ab?
Wir arbeiten im Doppel System, bestehend aus Früh- und Spätdienst sowie Kurz- und Lang-Woche. Das bedeutet, dass man Montag und Dienstag arbeitet, Mittwoch und Donnerstag frei hat und dann wieder Freitag, Samstag und Sonntag Dienst hat. Die darauffolgende Woche arbeitet dann mein Gegenstück die lange Woche und ich selber am Mittwoch und Donnerstag arbeiten und hab die restlichen Tage frei. So ist mein gesamter Pflegedienst geschichtet.
Ich habe keine Aushilfen beschäftigt, die dann mal am Wochenende einen Spätdienst fahren. Das erleichtert mir natürlich die Dienst-Gestaltung und die Mitarbeiter wissen ganz genau, wo es lang geht. Ich versuche natürlich die dreieinhalb Springer auch so zu planen, dass es fair abgeht, dass nicht einer mehr arbeitet und der andere weniger.
Das heißt, Sie haben eine 2- oder 5-Tage Woche, die rotierend ist. In dieser wird jeweils in Früh- und Abend-Schicht gearbeitet.
Ja, es ist ein Doppel-Dienst. Ganz früher haben wir eine Woche gearbeitet. Wir hatten eine Woche Dienst von Montag Mittag bis Montag Mittag und dann eine Woche frei. Eine Woche Doppel-Dienste ist einfach hart. Die Pfleger freuen sich natürlich auf die Woche frei. Die geht gefühlt schneller um als die Dienstwoche. Wir haben uns zusammengesetzt und dieses System entwickelt, was in der Summe 14 Tage mit 7 Doppel-Diensten ergibt. Dafür arbeitet die Pflegekraft nie länger als 3 Tage am Stück. Was halt für den Körper und die Psyche eine gute Sache ist.
„Meine PDL [Pflegedienstleitung] bezeichnet mich als „Chancengeberin“. Ich habe schon vielen Pflegehelfern ermöglicht eine Weiterbildung LG1/LG2 abzuschließen und somit natürlich ein höheres Gehalt ermöglicht.“
(Cordula Daum)
Haben Sie neben den beiden beschriebenen Aspekten noch andere Leistungen, die Sie Ihren Mitarbeitern anbieten, um den Job attraktiv zu machen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken? Mehr Urlaub, mehr Gehalt oder ein Firmenfahrzeug?
Das ist schwierig. In der ambulanten Pflege ist es tatsächlich so, dass wir recht hohe Gehälter zahlen, weit über die Tarifgehälter hinaus. Einjährig Examinierte erhalten ebenso viel wie dreijährige Examinierte, weil ich die gleiche Leistung abrechnen kann. Ich biete darüber hinaus keine weiteren Vorteile. Sie haben keinen eigenen Dienstwagen. Das wäre finanziell nicht tragbar. Es ist schon so, dass sie den Wagen mit nach Hause nehmen und ihre Tour von dort aus starten können. Wenn sie mittags einkaufen gehen, können sie das auch mit dem Auto machen. Ich bin hier recht großzügig. Wir führen kein Fahrtenbuch. Wer Kinder hat kann sie mit dem Wagen zur Schule oder in die Kita bringen.
Außer einer Rentenversicherung, die der Mitarbeiter nehmen kann und Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld habe ich keine weiteren Anreize. Darüber hinaus haben wir ein schönes, ansprechendes Bürogebäude, wo es im Untergeschoss einen Aufenthaltsbereich gibt. Kaffee und Süßigkeiten stehen zur Verfügung, die man sich auch auch für den Weg mitnehmen kann. Wenn wir Dienstbesprechnungen haben, bestellen wir immer Pizza, wir machen im Sommer im Garten Familienfeste mit Angehörigen, damit diese auch das Unternehmen kennenlernen, in dem der Partner, der Vater oder die Mutter arbeitet. Das trägt alles zum Wohlfühlen des Mitarbeiters bei.
Wie schaffen Sie es die Mitarbeiter langfristig an sich zu binden? Der Arbeitsmarkt in der Pflege ist z.Zt. eher ein Arbeitnehmer-Markt, in dem sich die Fachkräfte den Arbeitgeber aussuchen können. Sind es Fort- und Weiterbildungs-Angebote oder Karriere-Chancen? Was ist es?
Ich denke schon, das wir die Mitarbeiter durch gute Gehälter und ihre garantierte Freizeit halten. Wir versprechen das frei ja nicht nur, sondern leben es auch. Natürlich biete ich Weiterbildungen an, die wir auch bezahlen und natürlich auch die Freistellung ermöglichen. Meine PDL [Pflegedienstleitung] bezeichnet mich als „Chancengeberin“. Ich habe schon vielen Pflegehelfern ermöglicht eine Weiterbildung LG1/ LG2 [Behandlungsstufen] abzuschließen und somit natürlich ein höheres Gehalt ermöglicht.
Wir geben unseren Mitarbeiter, die ich lieber als Kollegen bezeichne, immer Rückhalt, eine ständige Erreichbarkeit durch uns und somit immer ein offenes Ohr, egal ob beruflich oder privat – vielleicht macht es das aus?
Was muss in den nächsten Jahren passieren, damit der Beruf in der öffentlichen Wahrnehmung wieder attraktiver wird und erkannt wird, dass durchaus gut bezahlt wird?
Ich persönlich bin Krankenschwester geworden, weil es mich dazu hingezogen hat Menschen zu helfen – ohne Helfersyndrom. Ich bin immer gerne zur Arbeit gegangen. In der ambulanten Pflege ist es natürlich so, dass wir es immer mit älterer Klientel zu tun haben, die sehr viel alleine sind und natürlich jeden Besuch unserer Mitarbeiter toll finden, weil wir, so traurig das auch ist, der einzige redende Kontakt sind, den die Menschen haben. Und jetzt mit Covid ist das noch schlimmer.
Mein Sohn macht jetzt beispielsweise noch die „letzte Altenpflegerausbildung“, der geht in die dreijährige Ausbildung, er mag das gerne. Er hat natürlich über uns viel mitbekommen, weiß wie wir arbeiten. Ob ich das Nachbarskind, was heranwächst, inspirieren könnte in die Pflege zu gehen, was ein wunderschöner und dankbarer Beruf ist, das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, wie man ihn attraktiv machen könnte. Ich weiß auch nicht, was die Generalistik dazu beitragen wird, das ist jetzt neu. Wo man sich im dritten Jahr spezialisieren soll Richtung Krankenhaus oder Altenpflege. Ich vermute, dass die Altenpflege zu kurz kommen wird.
Das Interview mit Cordula Daum wurde von Holger Lüttgen am 11. November 2020 geführt. Das komplette Interview können Sie kostenfrei per Mail (news@der-impulsgeber.org) anfordern. Informationen Mobiler Pflegedienst Daum, Hilden