Wolfgang Grupp sen., Trigema Geschäftsführer und Inhaber in dritter Generation
„Das Schönste ist, das Gefühl zu haben, dass man gebraucht wird.“
(Wolfgang Grupp sen.)
Holger Lüttgen: Sie geben Ihren Mitarbeitern eine Garantie, dass auch deren Kinder bei Ihnen arbeiten können. Sind Sie von der Wohlfahrt, einfach nur selbstlos oder risikofreudig?
Wolfgang Grupp: Also ich bin weder von der Wohlfahrt, noch ein Unternehmer, der riskante Entscheidungen trifft, noch selbstlos. Ich bin Egoist, ich will Geld verdienen und deshalb mache ich das. Je mehr sie ein Miteinander haben, je mehr Sie Ihren Mitarbeitern eine Sicherheit geben, desto motivierter arbeiten diese. Wenn diese jedoch jeden Tag Angst haben, dass ihnen morgen gekündigt wird, dann können Sie ihre volle Leistung nicht bringen.
Trägt auch Ihre regionale Lage dazu bei? Trigema liegt in der Mitte von Nirgendwo, Ulm ist relativ weit weg, Villingen und Tübingen ebenso. Hilft das?
Das hat Vor- und Nachteile. Ich habe schon immer gesagt, wenn jemand beispielsweise in Hamburg oder London studiert hat, fristet er sein Leben nicht in Burladingen. Er will nach München, nach Frankfurt oder ins Ausland. Deshalb habe ich immer schon die Ausbildung als erstes ganz oben angesetzt. Alle unsere leitenden Leute waren ehemalige Lehrlinge und sind durch Leistung in die Position gekommen und nicht von oben reingesetzt. Jeder Lehrling weiß, dass er durch Leistung die Chance hat eine Führungsposition zu übernehmen.
Handhaben Sie das generell so, dass von Außen keiner in Führungspositionen kommt und die Lehrlinge ihre Führungskräfte stellen?
Ja, alle Führungskräfte waren mal Lehrlinge bei Trigema. Aber von außen darf jeder reinkommen, er muss nur unten anfangen. Wir haben viele Beispiele. Eines ist der heutige IT-Chef. Er hat sich über die Jahre in seine jetzige Position hochgearbeitet. Ich setze keinen „Direktor“ von Außen als Führungskraft ein. Das wäre schlecht für das Betriebsklima.
Wie gelingt es Ihnen dieses wunderbare Gefühl des Gebrauchtwerdens mit den anderen Werten, die Ihr Unternehmen verkörpert, wie Familie und made in Germany, im Alltag zu leben? Wie hat das über all die Jahre scheinbar so gut funktioniert?
Es geht ja automatisch. Die Mitarbeiter wissen, dass sie bei mir immer Zutritt haben, wenn etwas nicht funktioniert oder ihnen etwas querliegt. Wir sind keine anonyme Gesellschaft. Das Schlimmste an einer anonymen Gesellschaft ist, dass alle nur noch Egoisten sind. Wir dagegen sitzen alle im selben Boot und rudern in die gleiche Richtung.
„Wenn ein Mitarbeiter zu mir sagt, der 65 ist, er wolle noch ein Jahr bleiben, dann ist das für mich ein Geschenk des Himmels.“
(Wolfgang Grupp sen.)
Ich habe in einem Artikel gelesen, dass es durchaus Mitarbeiter bei Ihnen gibt, die mit 65 den Ruhestand verschieben und vielleicht auch noch ein zweites Mal verschieben. Liegt das an der Identifikation mit dem Job und dem Arbeitgeber?
Das hatte ich jetzt gerade bei einem Prokuristen. Er war seit Jahrzehnten bei mir. Er verfügte über ein Know-how, was im Prinzip unbezahlbar ist. Wenn ich irgend etwas sagte, da wußte er Bescheid. Wenn sie neu ins Unternehmen kommen, dann fragen sie wie meinen sie das und wie geht das? Wenn ich Mitarbeitern, die 20 oder 30 Jahre bei Trigema sind, etwas sage, dann wissen sie Bescheid. Sie kennen sich aus. Wenn ein Mitarbeiter zu mir sagt, der 65 ist, er wolle noch ein Jahr bleiben, dann ist das für mich ein Geschenk des Himmels. Natürlich arbeitet er mir seinen Nachfolger frühzeitig ein.
Ist der Wissenstransfer von einer Generation zur nächsten zu komplex und vielleicht auch nicht systematisch geregelt, so dass die Fachkräfte über ihr Rentenalter hinaus im Unternehmen bleiben.
Das Wissen auf den „Neuen“ zu übertragen ist nicht schwierig, weil er jung ist und eingearbeitet wird. Darüber hinaus hat der Nachfolger schon zwei Jahre mitgearbeitet. Vielmehr fühlt sich der angehende Pensionär fit und möchte einfach noch weiter arbeiten. Nehmen Sie mich: Ich bin 78. Ich hätte ja schon seit 13 Jahren im Ruhestand sein können. Ich bekomme täglich von meinen Mitmenschen das Gefühl vermittelt, dass sie mich gerne sehen. Warum soll ich Zuhause rumsitzen, spazieren gehen oder sonst was machen? Sehr langweilig auf die Dauer. Das Schönste ist, das Gefühl zu haben, dass man gebraucht wird. Im anderen Fall ist das Leben nicht mehr erstrebenswert. Solange man das Gefühl hat, gebraucht zu werden, ist es doch schön, das jeden Tag erleben zu dürfen.
Es ist bekannt, dass eines Ihrer beiden Kinder das Unternehmen, wann auch immer, übernehmen wird. Und dann wird diesem Kind, Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn, das Unternehmen alleine gehören.
Ich habe klar festgelegt, dass nur ein Kind die Firma bekommt. Die Kinder arbeiten beide im Unternehmen, aber nur einem wird es gehören, damit dieses Kind auf eigenem Rücken Entscheidungen treffen kann und dafür dann auch die Verantwortung trägt. So werden nicht Entscheidungen getroffen, die das andere Kind in Mitleidenschaft zieht.
Dürfte dann ihre Tochter oder ihr Sohn, wer auch immer das Unternehmen bekommt und leiten wird, die Gesellschaftsform ändern und die Arbeits-Garantie, die Sie Ihren Mitarbeitern gegeben haben, aufheben?
Ich werde meinen Kindern nie vorschreiben, was sie machen müssen. Ich lebe ihnen etwas vor. Was sie tun, müssen Sie selbst entscheiden. Dann haben sie auch die Verantwortung für das, was sie tun.
Kinder muss man nur machen lassen und ihnen die Freiheit geben. Sie müssen aus Fehlern lernen. Sie müssen so erzogen sein, dass sie nicht aus Größenwahn sagen ich kann alles. Sie müssen Leistung bringen und können dann auch stolz auf das sein, was Sie vollbracht haben. Und das muss man den Kindern von klein auf mitgeben.
Das Interview mit Wolfgang Grupp wurde von Holger Lüttgen am 20. März 2020 geführt. Das komplette Interview können Sie kostenfrei per Mail (news@der-impulsgeber.org) anfordern. Informationen zu Trigema.