Wochen-Impulse

Der Tänzer auf dem Balkon oder die Kunst des Perspektivwechsels

Wochen-Impulse 33/2019

Tradierte Pfade vermitteln uns Sicherheit, auch wenn der Weg mehr als holprig, das Gehen beschwerlich und das Ziel keine neue Herausforderung oder Inspiration mehr ist. Die Welt mit anderen Augen betrachten, einen anderen Blickwinkel einnehmen und damit die Perspektive zu wechseln kann mit Angst vor dem Unbekannten ebenso einhergehen wie mit Beklemmungen. Für den Außenstehenden nicht immer nachvollziehbar ist die scheinbare Handlungsunfähigkeit, die alleine schon durch die Änderung der Blickrichtung zu entstehen scheint. Es ist noch kein Schritt getan und schon bilden sich die Schweißperlen der Angst auf der Stirn. Schauen wir mal wie der Tänzer mit der Situation umgeht.

Was macht es so schwierig die Sichtweise, den Blickwinkel zu verändern?

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir machen Dinge, weil wir sie schon immer so gemacht haben, weil andere sie auch so machen oder weil wir es so vermittelt bekommen haben. Das Bekannte wiegt uns in Sicherheit und lässt uns Glauben alles wird schon. Der gesellschaftliche Wandel, Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld oder einfach nur im Privaten machen es jedoch notwendig raus aus dem (Alltags)Trott zu kommen und Altbekanntes gegen Neues zu tauschen. Die Flexibilität in der Anpassungsfähigkeit, die Bereitschaft zum Wandel hat zu Höhlenzeiten über das Fortbestehen der Spezies bestimmt. Heute bestimmt diese Fähigkeit über den Fortbestand des Unternehmens oder meines Jobs.

Die Herausforderung ist oftmals, wohin schauen? Wo das Neue erkennen? Wo den neuen Pfad finden?

Die Metapher vom großen Ballsaal ist ein wunderbares Beispiel für die Kraft des Perspektivwechsels. „Die meisten Tänzer verbringen die ganze Zeit auf der Tanzfläche, bewegen sich zur Musik, stoßen gegen andere Tänzer, gehen ganz mit der Strömung. Erst wenn sie sich aus der Masse entfernen und zum Balkon emporsteigen, wird das Gesamtbild deutlich. Erst dann zeigen sich die generellen Muster und es eröffnen sich neue Perspektiven. Oft verdeutlichen diese bessere Wahlmöglichkeiten bezüglich dessen, was man auf der Tanzfläche alles machen kann.“1

Mitunter sind es Scheuklappen, die es uns schwer machen auch mal nach links oder rechts zu schauen. Manchmal ist es auch der innere Schweinehund, der uns den bequemen und bekannten Weg gehen lässt. Der eine oder andere bemüht vielleicht auch des deutschen liebstes Möbelstück – die Lange Bank – um der Veränderung eine aufschiebende Wirkung zu geben.

Unsicherheit, Denkblockaden und Angst vor dem Ungewissen, vor den neuen Bahnen können lähmend sein und neue Einsichten, neue Chancen verbauen. Andere Denkmuster können den Weg zum Wandel bereiten. Ein Perspektivwechsel, beispielsweise von einem erhöhten Standort, liefert andere Bilder durch die Vogelperspektive, wie im Ballsaal. Von oben betrachtet sieht die Welt anders aus. Fotografen machen sich bei der Gestaltung ihrer Bilder unterschiedliche Perspektiven zu nutzen, um Spannung und Ausstrahlung in ihre Fotografien zu legen. Ein Motiv aus der Froschperspektive aufgenommen, hat ebenso eine andere Strahlkraft wie ein angeschnittenes, zentriertes oder asymmetrisch fotografiertes. Gleiches gilt für Weitwinkel- oder Tele-Fotografien – der Blickwinkel und damit die Perspektive verändert sich.

Warum also nicht einfach mal die Welt mit anderen Augen ansehen?

Den Tatsachen ins Auge zu schauen, um die Wahrheit ungeschminkt zu erkennen, kann schmerzhaft sein. Es entsteht jedoch Klarheit, die Kraft für den Perspektivwechsel geben kann. Durch die neuen Einsichten verändert sich das (eigene) Leben und ich habe die Chance mich weiter zu entwickeln.

Unternehmen sind einem ständigen Wandel und einer dauerhaften Veränderung unterworfen. Die Rahmenbedingungen ändern sich durch technischen Fortschritt, durch neue Kundenanforderungen, durch zusätzliche Wettbewerber, durch politische und volkswirtschaftliche Veränderungen.

Ein „immer weiter so“, sollte für einen guten Manager nie die Antwort sein, weil er sich die Chance auf eine positive Veränderung und Weiterentwicklung nimmt. Durch einen Perspektivwechsel entsteht eine neue Sicht auf die Dinge, wodurch gute und neue Ideen generiert werden. Die neue Blickrichtung öffnete Anregungen für Problemlösungen.

Der Unternehmer, die Führungskraft und der ambitionierte Mitarbeiter sind fortwährend in diesem Spannungsgeflecht in dem ein Wechsel der Perspektive notwendig ist. Diese Fähigkeit unterscheidet den guten vom sehr guten Manager.

Werkzeuge für den Perspektivwechsel sind in meinem Coachings z.B. der Zeitstrahl und das Refraiming, die eine neue, positive Sichtweise auf die Dinge ermöglichen und damit die Entscheidungsfindung erleichtern. Beim Zeitstrahl oder auch Lebensstrahl stellt sich der Coacheé seine eigene Zukunft so vor, als würde er bereits in dieser leben und blickt auf die Gegenwart zurück. So kann er eine neue, veränderte Perspektive auf seine möglicherweise als schwierige empfundene Situation gewinnen. Die aktuell erlebte Sackgasse wird dadurch geöffnet, Lösungen werden greifbar und Blockaden können abgebaut werden.

Ähnlich wie bei einem Bild, welches mit unterschiedlichem Rahmen jeweils anders auf den Betrachter wirkt, funktioniert auch das Refraiming2 (Rahmung). Sachzusammenhänge, Ereignisse oder Probleme werden ebenfalls aus einem anderem Blickwinkel betrachtet. Ein vermeintlich negative Situation wird in einen anderen Rahmen gesetzt, wodurch sie eine positive Bedeutung bekommt und ihre unangenehme Wirkung verliert. Beispielsweise könntest du dich im Stau auf der Autobahn stehend statt zu ärgern, die Entscheidung treffen die Zeit sinnvoll zu nutzen, um ein Hörbuch zu hören oder Telefonate zu führen.

Beide Werkzeuge sorgen für einen Paradigmenwechsel, bei dem bestehende, oft einengende Denkmuster positiv verändert werden.

Wie gehst du mit Perpektivwechseln um? Wann wechselst Du die Blickrichtung?

Wundervolle Impulse für die nächsten 7 Tage.

Bleibe inspiriert.

Holger

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1 Quelle: Der Stratege, Cynthia A. Montgomery, Harvard Business School

2 Reframing: Der Begriff Umdeutung von englisch Reframing, seltener auch Neurahmung oder Referenztransformation, bezeichnet eine Technik, die aus der Systemischen Therapie stammt […] Durch Umdeutung wird einer Situation oder einem Geschehen eine andere Bedeutung oder ein anderer Sinn zugewiesen, und zwar dadurch, dass man versucht, die Situation in einem anderen Kontext (oder „Rahmen“) zu sehen. […] Rahmen bedeutet auch ein Konzept, was unsere Sicht eingrenzt. Verlassen wir diese geistige Festlegung, können neue Vorstellungen und Deutungsmöglichkeiten entstehen. […] Ein Beispiel hierfür ist … die Umdeutung eines als negativ wahrgenommenen Verhaltens („Meine Mutter mischt sich ständig in mein Leben ein.“) in ein positives („Ihre Mutter möchte Sie also beschützen“), oder eine Sensibilisierung dahingehend, dass ein „gut gemeintes“ Verhalten beim Zielobjekt negative Effekte auslöst. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Umdeutung_(Psychologie)

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