Wochen-Impulse

Duzen, Siezen oder DuSie?

Einfach Karriere – Wochen-Impulse 71/ 2020

Hat das „Sie“ ausgedient? Ist das „Du“ das neue „Sie“? Um es vorweg zu nehmen, für mich ja. Und für XING nun offiziell auch. „Warum wir Sie jetzt duzen“ schrieb Frau Dr. Sabrina Zeplin am 24. Mai 2020 im hauseigenen Blogbeitrag. „Die Zeiten ändern sich. Zum Glück! […] Und deshalb werden wir das „Sie“ in der Kommunikation mit Dir, liebes XING Mitglied, nach und nach verabschieden.“1

Was auch immer das „nach und nach“ für die Praxis bedeutet, wird sich zeigen. Die kritischen und teils sehr deutlich ablehnenden Kommentare zu dem Beitrag dürften für reichlich Gegenwind gesorgt haben, so das die Geschäftsleitung vielleicht einknickt und vom neuen Standard-Du abrückt. Schon aus wirtschaftlichen Gründen. Ich bin sehr gespannt.

Zu Kaisers-Zeiten, in den Jahrhunderten der Zweiklassen-Gesellschaft und auch noch in den Nachkriegsjahren mit strengen Hierarchien wurde nicht nur gebuckelt, sondern auch zur Abgrenzung Wert auf das „Sie“ gelegt. Gesellschaftlich haben wir weitestgehend den Klassenkampf überwunden, dürfen in einem liberalen, offenen und freizügigen Land leben und benötigen ein distanziertes „Sie“ nicht. Gleichwohl gebietet es meine Erziehung, dass ich mir nicht bekannte Menschen – zumindest im geschäftlichen Umfeld – zunächst sieze. Aus Höflichkeit.

Möglicherweise ändern sich diese Konventionen im Laufe der nächsten Jahrzehnte und wir gelangen zu einer veränderten Auffassung von Höflichkeit und schreiben die guten alten Benimmregeln á la Knigge neu. Dann ist das „Du“ das neue „Sie“.

Distanziertes SIE und nahes DU?

Im englischsprachigen Raum entfällt schon grammatikalisch die Unterscheidung, in den Niederlande und Schweden ist schon heute das „Du“, das alte „Sie“. Unsere Nachbarn gehen viel entspannter hiermit um. Nach meinem Studium begann mein Arbeitsleben bei einem urdeutsche Traditionsunternehmen, der Hoechst AG. Die ersten knapp eineinhalb Jahre durfte ich in den Niederlanden verbringen und dort, wie an der Uni, das ungezwungene leichte Miteinander der Kollegen, bis ins Management, erleben. Dazu trug auch das „Du“ bei. In Deutschland wurde natürlich gesiezt und auf die Hierarchie geachtet. Die Türen zu den Chefs hatten vergleichsweise hohe Drempel.

In etlichen Branchen habe ich gearbeitet und beraten. In amerikanisch geprägten Unternehmen ist das einheitliche DU Teil der Unternehmenskultur. Touristiker duzen sich ebenso locker und selbstverständlich wie Mitarbeiter in der Telekommunikation.

„Duzen gehört in mein privates Umfeld“, „ich möchte einen Menschen erst kennenlernen“ sowie „permanentes Zwangs-Duzen“ sind Einwände gegen die Inflation des Duzen, wie sie auch in den Kommentaren bei Xing zu finden sind. Durchaus spannend zu lesen, dass erboste Kommentatoren von politisch begründeten Motiven sprechen, mit Austritt aus dem Netzwerk drohen oder es sogar umsetzen und dabei das Gebot der Höflichkeit verlieren.

Ich empfinde uns Deutsche als steif und noch immer an verkrusteten Strukturen festhaltend. Gut, das sie mehr und mehr aufbrechen. Auf gleichen Hierarchie-Ebenen haben sich Kollegen schon immer untereinander geduzt. Die gedankliche Schwelle beginnt erst bei übergeordneten Ebenen und dem vermeindlichen Verlust an Respekt, Höflichkeit und Autorität.

Warum ist das so? Meine Mutter (Baujahr 1936) kannte den Grund: Sie hat mir immer gesagt „man sagt schneller Du Arschloch, als Sie Arschloch“. Da hatte sie sicherlich Recht – aus ihrer Perspektive. Andererseits verändern sich aus meiner Erfahrung Respekt, Wertschätzung und das Anerkennen von unterschiedlichen Entscheidungskompetenzen nicht durch duzen oder siezen. Vielmehr finden diese Vorannahmen im Kopf und durch die jeweilige Einstellung statt.

Warum das Ganze nicht einfach locker nehmen? Warum dem „Du“ diese Schwere mit auf den Weg geben?

Das Kölsche Sie.

„Als Wahl-Kölner liegt mir das Du quasi automatisch auf der Zunge. Der Kölner hat eine völlig unkomplizierte, ausgesprochen pragmatische Umgangsform hierfür entwickelt – das DuSie. [..] Für Nicht-Kölner: In der Domstadt wird Du-Sie gerne verwendet, u.a. in Kneipen, um Nähe, Vertrautheit und Sympathie zu suggerieren. Es könnte sich z.B. wie folgt anhören: „Machst du mir mal 2 Kölsch“ oder „Hast du gesehen, wie die Pfeifen vom FC [Anmerkung: gemeint ist der FC Köln] wieder gespielt haben?“. Das etwas höflichere, aber auch distanziertere Sie kommt schwer über die rheinischen Lippen. Würde sich bei den genannten Beispielen auch, zumindest für den Kölner, befremdlich anhören.“2

Für mich hat insbesondere im Coaching das Du, wenn es mein Coachée für stimmig befindet, den Vorteil einer geringeren Distanz. Diese Nähe unterstützt nach meiner Erfahrung die vertrauensvolle Veränderungsbegleitung. Dieses Du ist kein Freifahrtschein: Auch hier will das geschenkte Vertrauen bestätigt werden.

Höflichkeit, Respekt und Wertschätzung werden gegeben und sind nicht das Resultat einer Entscheidung für Du oder gegen Sie.

Wundervolle Impulse für die nächste Woche.

Bleibe inspiriert und gesund.

Holger

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1 Quelle: XING, Sabrina Zeplin, Teil der Geschäftsführung der XING GmbH und Co. KG und für die Weiterentwicklung der Plattform-Produkte zuständig, https://www.xing.com/news/insiders/articles/warum-wir-sie-jetzt-duzen-3212207?xng_share_origin=web

2 Quelle: Karriere- und Bewerbungs-Ratgeber „Bewerben ist wie Flirten. Einfach.“, Holger Lüttgen, Köln 2019

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