Wochen-Impulse

Finanz-Kapital schlägt Human-Kapital. Unterschiedliche Wertschätzung von Berufsgruppen.

Wochen-Impulse 29/2019

Ein Arzt wird schon beim Nennen seines Berufes angestrahlt bis angehimmelt. Der Krankenpfleger wird vielleicht noch müde angelächelt. Geld oder Einkommen haben in der westlichen Welt eine ausgesprochen hohe Strahlkraft und beeinflussen dadurch auch wie wir Menschen bewerten. Paradox ist es schon, wenn Berufe und ganze Berufsgruppen quasi, als wäre es gesellschaftlich normiert, unterschiedlich betrachtet werden und damit das jeweilige Ansehen von Glorifizierung bis hin zu Abwertung reicht.

Das erscheint doch sehr oberflächlich und bis respektlos.

Die Wertvorstellungen von Berufen bekommen wir quasi mit der Muttermilch eingeflößt. Schnelle haben wir erkannt, dass ein Arzt ein höheres Ansehen genießt als der Krankenpfleger. Warum aber sind einige Berufe mit viel Anerkennung verbunden und einige mit wenig? Möglicherweise ein Relikt aus Zeiten der Zweiklassengesellschaft, als es die gebildete Ober- und die ungebildete Unterschicht gab. Bildung war gleichbedeutend mit Wohlstand, Macht und damit Ansehen. In einer tendenziell eher klassenlosen Gesellschaft hat sich in diesem Punkt kaum Veränderung eingestellt.

Gesellschaftlich noch fragwürdiger empfinde ich es, wenn in der Betriebswirtschaft und bei einigen Beratern vom Human Capital gesprochen wird. Menschliches Kapital – der Mensch als Ware – wird mit einem Wert versehen, wie Vieh, das durch die Weiten der Steppe getrieben wird, um in der nächsten Stadt auf dem Viehmarkt verkauft zu werden. Der Menschenhandel ist zumindest in der westlichen Welt – außer im Fußball – abgeschafft, das Wording ist geblieben. Das sagt viel über unsere Einstellung und Denke aus. Leider handeln auch noch zu viele Unternehmen so und tauschen Personal nur nach Umsatz- und Ertrags-Werten aus.

Für mich wird die unterschiedliche Wertschätzung und Anerkennung für einen Berufstand sehr deutlich, wenn beispielsweise Investmentbanker und Alten-/Krankenpfleger in ihrer veröffentlichten Wahrnehmung verglichen werden. Der Eine verdient Millionen im Jahr, weil er Leerverkäufe – quasi „Berliner Luft“ – verkauft und bekommt dafür viel Zuspruch und Schulterklopfen. Der Andere pflegt alte oder kranke Menschen und wird mit einem Hungerlohn nach Hause geschickt. Nähren darf er sich am Lächeln und Dank der Patienten.

Die Arbeit am Menschen ist uns wenig wert, „Berliner Luft“ am Beispiel intelligenter und sittenwidriger Cum-Ex-Deals1 jedoch Unsummen. Beide Vertreter der genannten Berufsgruppen arbeiten viel, oftmals sicherlich auch über die physischen und psychischen Belastungsgrenzen hinaus. Nur mit dem Unterschied, dass Anerkennung und Schmerzensgeld beim Fondmanager um ein 100faches höher sind.

In diesem Punkt versagt die Gesellschaft, von der Politik über Bildungssysteme bis hin zu jedem Einzelnen. Die Frage sollte doch mehr denn je sein, welche Werte möchte ich leben? Welche Werte sollte die Gesellschaft mehrheitlich leben in der ich mich aufhalte? Und schlussendlich, was ist es mir und auch der Gesellschaft wert, wenn Menschen Menschen pflegen? Augenscheinlich sind die Pflegeberufe wenig wert. Ein Handel ohne reale Werte, ohne Waren jedoch sehr viel. Wollen wir das als Gesellschaft wirklich?

Wundervolle Impulse für die nächsten 7 Tage.

Bleibe inspiriert.

Holger

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Noch mehr für Wissensdurstige zum Thema Real- und Finanz-Werte (https://www.planet-schule.de/wissenspool/die-grosse-geldflut/inhalt/hintergrund.html) und Cum-Ex-Deals (https://boerse.ard.de/boersenwissen/boersenwissen-fuer-fortgeschrittene/cum-ex-deals-das-ganz-grosse-ding100.html)

1 Für diejenigen, die zu Cum-Ex-Geschäften mehr wissen möchten liefert das Video von DIE ZEIT ein einfache Erläuterung. https://www.zeit.de/video/2017-06/5461015755001/kurz-erklaert-wie-der-cum-ex-steuerskandal-abgelaufen-ist