Wochen-Impulse 10/2019
Wer will schon gebunden oder angebunden sein? Dennoch sprechen wir im Kundenmanagement auch von Kundenbindung und Kundenbindungsmaßnahmen. Wie selbstverständlich planen Marketingfachleute Aktionen zur Kundenbindung und postulieren die Notwendigkeit der Maßnahmen. Im Marketing-Deutsch ist diese Art der Begriff scheinbar etwas Positives, etwas sehr erstrebenswertes.
Will der Kunde denn überhaupt gebunden sein? Wie sieht es bei dir aus? Bist du gerne gebunden? Ich nicht. Ein eingeschränkter Bewegungsradius, der sich aus der Bindung ergibt, käme meiner Freiheitsberaubung gleich. Fehlendes Vertrauen macht anketten, anbinden notwendig. Konfuzius sagt hierzu: „Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück gehört es dir – für immer.“
Kundenbindung braucht doch kein Mensch, oder?
In ihrem gleichnamigen Buch beschreiben Andreas Herrmann und Michael D. Johnson „Kundenzufriedenheit als Bestimmungsfaktor der Kundenbindung“, wonach „zahlreiche empirische Untersuchungen belegen, dass die Steigerung der Zufriedenheit in der Regel mit einer Erhöhung der Bindung einhergeht.“ Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bei Marken mit rückläufigem Marktanteil oft auch rückläufige Markentreue beobachtet werden kann. (Quelle: Analyse von markentreuem Kaufverhalten, Karla Schiller, Karlsruhe)
Warum gelten Aktivitäten zur Kundenbindung in der heutigen Zeit immer noch als erstrebenswert? Sicherlich besteht in den meisten Märkten ein Verdrängungswettbewerb, der zu negativen Auswirkungen bei der Ertragsentwicklung führen kann. Treue Kunden sind daher ein wichtiges und nachvollziehbares Marketingziel. Aber muss ich den Kunden deshalb anketten? Sollte die Frage nicht vielmehr lauten, wie gelingt es mir als Unternehmen möglichst viele treue Kunden ohne Druck zu bekommen? Zumal für Kundenbindungsmaßnahmen erhebliche Budgets notwendig sind und das mit wirtschaftlich zweifelhaftem Erfolg. Prof. Götz W. Werner, der Gründer und Aufsichtsrat der dm-drogerie Märkt, hat hierzu eine klare Meinung. Vor Jahren sagte er in einem Interview mit der Fachzeitschrift W&V: „Wir [bei DM] streben gar keine Kundenbindung an. Die Frage lautet vielmehr: Wie schaffen wir es, dass sich die Kunden mit uns verbinden wollen?“ Ich finde diese Blickweise ausgesprochen inspirierend und mutig. Gegen der Strich zu bürsten hat sich bei den dm-Märkten wirtschaftlich gelohnt. Die Kunden belohnen diese klare und nachvollziehbare Unternehmenspolitik durch Treue beim Einkauf.
Die Kunden werden zunehmend unabhängiger und wechselhafter in ihrem Einkaufsverhalten. Bei diesem hybriden Kaufverhalten wird in einer Situationen preisorientiert eingekauft („Schnäppchen“) und bei nächster Gelegenheit erlebnisorientiert oder preisunsensibel konsumiert (Luxusmarken). Warum also auf Kundenbindung setzen? Wo ist hier noch der Hebel?
Ich wünsche Dir wundervolle Impulse für die nächsten 7 Tage.
Bleibe inspiriert.
Holger
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