Wochen-Impulse

Durchhalten als Super-GAU.

Die unendliche Geschichte von der scheinbar richtigen Kompetenz für Veränderungen.

Wochen-Impulse 04/19

In einem meiner Kurse für die berufliche Eingliederung von psychisch Erkrankten1 hatten wir eine interessante Diskussion über den Begriff Durchhalten, hervorgerufen durch ein Motivationsbild, gepostet auf Facebook von einer bankeigenen Akademie sowie einer Aussage von Sir Winston Churchill. Dieser bereichernde Gedankenaustausch führt nun dazu, dass ich die aktuellen Wochen-Impulse diesem Thema widme.

Churchill hat nach dem 2. Weltkrieg eine Rede, bestehend aus einem Satz, in einer Englischen Universität gehalten. „Als Churchill den Vortragssaal betrat, waren tausende Menschen versammelt. […] Unter großem Applaus ging Churchill ans Podium. Und dann hielt er folgende Rede: Geben Sie nie, nie, nie, nie auf.“ (Quelle: Die Gesetze der Gewinner, Bodo Schäfer)

Was verbinden wir mit dem Wort durchhalten? Je nach Persönlichkeit, Sozialisation und beruflicher Karriere ist für uns der Begriff scheinbar positiv und tatsächlich motivierend belegt oder aber negativ im Sinne von unreflektierten, blind immer weiter so. Soweit eine erste Einschätzung. Im Wortstamm befindet sich die Wort „durch“ und „halten“. Möchte ich fortwährend etwas halten (müssen)? Möchte ich wohl möglich andauernd gehalten werden? Durch bedeutet durch etwas hindurch. Durch einen Wald zu spazieren und zwitschernde Vögel zu hören, ist sicherlich angenehm. Durch den Dschungel laufen zu müssen, mit Spinnen, Schlangen und sonstigen Tieren, ist dagegen für die meisten weniger angenehm, es sei denn sie sind im Dschungel Camp.

Ein Blick in den guten alten Duden und die aufgeführten Synonyme zu durchhalten und Ausdauer macht einen kleinen, feinen Unterschied in der Semantik der Begriffe deutlich. Durchhalten ist überwiegend mit negativ belegten Synonymen belegt, Ausdauer eher mit positiven. Schaut selber und vergleicht.

Durchhalten:

  • abwarten, aushalten, ausharren, beharren, bleiben, Geduld bewahren/haben, sich gedulden, nicht aufgeben, warten, zuwarten; (gehoben) verharren, verweilen; (umgangssprachlich) nicht schlappmachen
  • ausgesetzt sein, aushalten, ausstehen, bewältigen, durchstehen, einstecken, erdulden, erleiden, ertragen, fertigwerden, hinnehmen, in Kauf nehmen, tragen, über sich ergehen lassen, überstehen, verdauen, verkraften, verschmerzen; (gehoben) dulden, verwinden; (umgangssprachlich) durchmachen, mitmachen, schlucken, vertragen; (besonders norddeutsch umgangssprachlich) abkönnen; (landschaftlich) abhalten; (gehoben veraltend) bestehen“

Ausdauer:

Beharrlichkeit, Beharrungsvermögen, Beständigkeit, Durchhaltevermögen, Durchstehvermögen, Geduld, Hartnäckigkeit, Kondition, Unbeirrbarkeit, Unermüdlichkeit, Verbissenheit, Zähigkeit; (gehoben) Langmut; (bildungssprachlich) Perseveranz; (umgangssprachlich scherzhaft) Sitzfleisch; (veraltet) Assiduität, Persistenz; (Psychologie) Tenazität“

Ist Dir der Unterschied aufgefallen? Warum also wird in Motivationsbildern, in Karriere-büchern und Fachartikel dennoch der Begriff Durchhalten als die notwendige Kompetenz benannt, die es gilt zu besitzen, wenn wir Veränderungen erfolgreich durchführen und unser Ziel erreichen wollen?

Vielleicht liegt es daran, dass ein nicht kranker Mensch für sich nicht die Notwendigkeit sieht über den Begriff zu reflektieren. Vielleicht verbindet er mit Durchhalten keine Druck oder Stresssituation. Vielleicht kennt er bei anstehenden Veränderungen keine große Angst und kann oder will sich in die Feinheiten der Semantik auch nicht hineinfühlen.

Aufgeben statt durchhalten? Die Antwort dürfte in der Mehrzahl der Ratgeber lauten: Nein, es wird sich lohnen, weil … . Ist Aufgeben per se schlecht? Nein. Es kann ausgesprochen mutig sein. Stell dir vor du bist in einer größeren Gruppe bei einem Outdoor Training und bei einer Übung kommst du an deine Grenzen. Dein Nein an der Stelle, im Kreise der Gruppe, kann für deine Persönlichkeitsentwicklung ebenso gut und richtig sein, wie über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen. Es kann auch gesundheitlich mehr als sinnvoll sein. Ein unreflektiertes immer weiter so und nie, nie aufgeben, kommt dann doch etwas preußisch, militärisch daher.

Gehst du jedoch mit Ausdauer – Beharrlichkeit, Unermüdlichkeit – an einen Veränderungsprozess, kann alleine die positive Semantik des Wortes dir ein Stück Druck und Angst nehmen. Die Herausforderung bleibt: Raus aus der Komfortzone mit des deutschen liebsten Möbelstücks, der „langen Bank“ auf der sich alles gut aufschieben lässt.

Verwende ab heute den begriff Ausdauer bei deinen anstehenden Veränderungen und angestrebten Zielen. Bleibe positiv ausdauernd.

Ich wünsche Dir wundervolle Impulse für die nächsten 7 Tage.

Bleibe inspiriert.

Holger

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1Vom promovierten Akademiker, über den ehemals erfolgreichen Unternehmer, über Pflegekräfte bis hin zu kaufmännischen Berufen finden sich hier Menschen, die über viele Jahres des Druckes im Berufsleben an Burn-out oder Depression erkrankt sind.